Wenn im Kleinsten großes Potenzial liegt.

Strömungssimulation eröffnet neue Möglichkeiten bei der Miniaturisierung von Bauteilen.

Auf Grund der zunehmenden Miniaturisierung von Hightech-Bauteilen und Systemkomponenten kommen bei Produktentwicklungen herkömmliche Messgeräte längst an ihre Grenzen. Nicht selten sind es jedoch gerade die winzigsten Details, Nuancen und „Mikro-Stellschrauben“, die entscheidende Wettbewerbsvorteile bringen. Wo Messen nicht mehr möglich ist, kann Strömungssimulation daher wertvolle Hilfestellung leisten. Dank ihr lassen sich mögliche Schwachstellen exakt ermitteln, Produkte zielgerichtet optimieren und die Anzahl der notwendigen Prototypen erheblich verringern.

Autor: Dr. Axel Müller

Die Bauteile von Hightech-Produkten werden zunehmend kleiner – und die Markt- und Qualitätsanforderungen damit größer. Wer sich heute als Zulieferer seinen Wettbewerbsvorteil sichern will, muss seine Erzeugnisse mit Hilfe modernster Werkzeuge optimieren, um in Bezug auf die Fortschrittlichkeit der Endprodukte „up-to-date“ zu bleiben. Denn bei der Produktentwicklung ist es wie im Hochleistungssport: Mitunter reicht eine Tausendstel-Sekunde zum Olympiasieg. Wo dieses „Tausendstel-Potenzial“ liegt, lässt sich nicht selten durch Strömungssimulation sichtbar machen High-End-Beispiele, wie Anwendungen in der Flugzeugindustrie oder neueste Einsätze in der Formel 1 und beim Schwimmen oder Radfahren machen dies deutlich und zeigen sowohl das Potenzial wie auch die Reife, die CFD (Computational Fluid Dynamics) inzwischen erreicht hat. Umso sinnvoller ist es, dieses Potenzial auch für Produktentwicklungen nutzbar zu machen. Zum einen bestehen High-End-Technologien heute aus einer enormen Vielzahl von Systemkomponenten. Und zum anderen sind manche Bauteile mittlerweile so winzig, dass sie weder einsehbar noch für Messgeräte zugänglich sind. Bei genauerem Hinschauen ist es meistens gerade dieses Hightech im Kleinen, was den sichtbaren Erfolg im Großen erst möglich macht.

 

Spitzentechnologie im Miniaturbereich

Wie jeder Sportler muss sich auch jede Technologie immer mit der Spitze des bislang Möglichen messen und zielgerichtete Schritte unternehmen, um die bestmögliche Leistung herausholen zu können. Dazu bedarf es zunächst genauester Kenntnisse über die Physiologie des Sportlers oder – im Fall der Mikrosysteme – über die physikalischen Vorgänge im Systeminnern. Allerdings ist es bei der Konstruktion und Optimierung von sehr kleinen Systemen praktisch nicht möglich, die physikalischen Vorgänge durch Messungen zu erfassen, da die zu untersuchenden Objekte kleiner sind als die verfügbaren Messinstrumente selbst. Die einzige Möglichkeit, das physikalische Verhalten auf diesen Skalen zu untersuchen, ist die Simulation. Ihr großer Nutzen besteht darin, dass sie in ganzheitliches Bild des Ablaufes im Systeminneren zu liefern vermag, anstatt nur punktuelle Daten. Zudem werden die Vorgänge selbst nicht beeinflusst – was durch ein Messinstrument bei Strömungen fast immer unvermeidlich ist. Darüber hinaus lassen sich mit Strömungssimulation unterschiedliche Randbedingen und Parameter einfach variieren, wodurch verschiedene Optimierungsansätze zeit- und kostengünstig ausprobiert werden können.

 

Erfahrungswerte in allen Dimensionen

Modernste Technologie und ausgereifte CFD-Software allein macht noch keine gute und aussagekräftige Strömungssimulation aus. Mindestens ebenso wichtig ist das nötige Know-How. Denn der schlüssige und effiziente Einsatz der Simulation setzt fundiertes physikalisches Verständnis und entsprechende Praxiskenntnisse voraus, die in dem Umfang häufig nur spezialisierte CFD-Dienstleister bieten können. Zwei konkrete Projekte aus dem Bereich der nicht messbaren Kleinsysteme, die allerdings entscheidende Bestandteile von High-End-Produkten sind, werden im Folgenden exemplarisch aufgezeigt: Zum einen die Untersuchung der Wärmeverteilung und Konvektionsströmung in einem Mikroschalter-Gehäuse mit Multilayer-Leiterplatte und elektronischen Bauteilen, zum anderen die Optimierung einer Mikroeinspritzdüse hinsichtlich ihrer Strömungseigenschaften.

 

Wohin mit der Wärme?

Beim ersten Projekt sollte untersucht werden, wie sich die Wärmeverteilung innerhalb der Multilayer-Leiterplatte eines Mikroschalters verhält und welche Strömungen in ihrem Gehäuse auftreten. Der Mikroschalter hatte in der Vergangenheit oft Probleme mit punktuell zu hohen Temperaturen der Leiterplatte, was dann zum Schmelzen des Gehäuses an manchen Stellen führte. Da es bei Abmessungen von 2 x 1 x 1 Zentimeter nicht möglich war, die Temperaturverteilung im Inneren des Gehäuses zu erfassen – mit Messgeräten wäre ohnehin keine Verteilungsanalyse über den kompletten Innenbereich möglich gewesen – wurde ein entsprechendes Simulationsmodell erstellt.

Die Abbildung 1 und 2 zeigen die Temperaturspitzen in einer der Schichten der Leiterplatte und an der Außenfläche des Gehäuses. Mit Hilfe der Simulation konnte bei unterschiedlichen Außenbedingungen exakt ermittelt werden, an welchen Stellen und unter welchen Bedingungen es dort zu Problemen kommt. Im nächsten Schritt wurden dann per Simulation verschiedene Lösungsansätze virtuell „erprobt“, ohne dass dafür aufwändige Testreihen nötig gewesen wären. Somit konnten durch geschicktes Kontaktieren der Leiterplatte mit dem Außengehäuse Schmelzgefahren gebannt werden. Außerdem weist das Gehäuse nun eine deutlich verbesserte Temperaturverteilung auf (Abbildung 3). Sowohl die exakte Schwachstellenermittlung als auch die zielgerichtete Optimierung von Wärmeverteilung und Strömung waren nur mittels CFD-Strömungssimulation möglich.

Abbildung 1: Temperaturspitzen nach längerer Betriebszeit in einer Schicht der Leiterplatte.
Strömungssimulation Temperaturverteilung an der Außenfläche des Gehäuses
Abbildung 2: Temperaturverteilung an der Außenfläche des Gehäuses.
CFD Strömungssimulation verbesserte Temperaturverteilung nach der Optimierung
Abbildung 3: Verbesserte Temperaturverteilung nach der Optimierung

 

Reinigende Wirkung

Während im vorhergehenden Beispiel die Problematik eher in einer ungleichmäßigen Temperaturverteilung begründet war, stellte sich beim folgenden Projekt das Problem der Flüssigkeitsströmung in einer Mikrodüse, die sehr häufig und scheinbar unerklärlich verstopfte. Die Abbildung 4 zeigt das Simulationsmodell der Düse, die eine Länge von 3 Millimetern aufweist. Durch den erzeugten Unterdruck des Treibgases wird die Flüssigkeit aus dem Zentralrohr mit einem Durchmesser von 0,2 Millimetern angesaugt und anschließend zerstäubt. Die Simulation zeigt auch, dass sich die Strömung im Bereich des Diffusors geringfügig ablöst, wodurch sich Partikel an der Wand anlagern und zunehmend zu einer Verstopfung der Düse führen.

strömungssimulation: Zwei Schnittebenen durch das 3D-Modell der Düse zeigen die Geschwindigkeitsverteilung
Abbildung 4: Die 3D-Simulation der Düse zeigt die Geschwindigkeitsverteilung
CFD-Simulation: Zwei Schnittebenen durch das 3D-Modell der Düse nach der Optimierung
Abbildung 5: Die 3D-Simulation der Düse nach der Optimierung

Auf Grund der gewonnenen Erkenntnisse konnte letztendlich eine Düsenform entworfen werden, bei der dieser Strömungseffekt nicht auftritt und die Verstopfung der Düse verhindert wird. Wie Abbildung 5 zeigt, konnte dies durch eine Abrundung des Einlaufbereiches und Abflachung des Diffusors erreicht werden. Neben der Beseitigung der Wirbel, ließ sich gleichzeitig auch die Verteilung des Druckes optimieren. Durch mehrere virtuell erprobte Design-Variationen wurde die effektivste Form für die Düse ermittelt.

Weniger Prototypen. Bei höherer Qualität.

Die Strömungssimulation leistet insbesondere im Mikrobereich, wo die Physik oft weder einsehbar noch messbar ist, wertvolle Dienste. Und dies nicht nur, wenn es darum geht, vorhandene Produkte zielgerichtet zu optimieren, sondern auch, um schon bei der Produktentwicklung die Anzahl der Prototypen und somit die der Testreihen zu verringern. Für Spitzenprodukte müssen die Produkte der Zulieferer den gleichen Qualitätsanforderungen gerecht werden wie das Endprodukt selbst. Aus diesem Grund ist es von elementarer Bedeutung, dass auch Produkte im Mikrobereich mit CFD-Strömungssimulation optimiert werden. Denn wie auch im Sport, wo die sichtbare Spitzenleistung letztendlich nur durch optimales Zusammenspiel verschiedener körperlicher Fähigkeiten möglich ist, ist ein Hightech-Endprodukt maßgeblich von der Optimierung seiner kleinsten Elemente abhängig.

 

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